Statistiken erklären nicht alles

Um den Grad einer Hörschwäche sichtbar zu machen, erstellt der Hörakustiker ein Audiogramm seines Patienten. Jetzt kam heraus: Bei lediglich einem Drittel der Kunden beschreiben Audiogramme den tatsächlichen Hörverlust eines Kunden. Zu diesem Ergebnis kam Dirk Oetting vom Kompetenzzentrum für Hörgeräte Systemtechnik HörTech in Oldenburg. Der Wissenschaftler präsentierte seine Ergebnisse während des Pro Akustik-Kongresses in Berlin.

Intensive Beschäftigung

Da das Gehör so individuell wie der Mensch selbst ist und Hören eine subjektive Angelegenheit ist, kommt es immer wieder zu Abweichungen von den statistischen Daten. Gerade diese Abweichungen sind es aber, die einen guten Hörakustiker ausmachen. Nur, wer sich intensiv mit dem Patienten beschäftigt und auf seine Bedürfnisse eingeht, wird das persönliche Hörempfinden und damit auch den individuellen Wohlfühlfaktor des Kunden treffen. „Neben der Zielkurve zu liegen, ist häufig sehr richtig“, betont der Wissenschaftler.

Anpassung kostet Zeit

Natürlich kostet eine solche Anpassung mehr Zeit, als die nach festgesetztem Schema und Audiogramm. Doch gerade diese Zeit ist es auch, in der der Akustiker seine Kunden besser kennenlernen und eine Bindung aufbauen kann. „Ich muss den Kunden für Anfang an für mich begeistern“, betonte Stefan Gebhardt, der während des Pro Akustik-Kongresses der Frage nachging, wie sich Kunden leichter überzeugen lassen. Der Hörakustiker zitierte Paul Claudel, der gesagt hatte: „Nichts kann den Menschen mehr stärken als Vertrauen, das man ihm entgegenbringt.“

Empathie gefordert

Gebhardt plädierte dafür, den Kunden von Anfang an mit einzubeziehen: „Es muss nicht nur mir wichtig erscheinen, es muss dem Kunden wichtig erscheinen.“ Ganz besonders wichtig sei auch die emotionale, die nonverbale Komponente: „Was sende ich aus? Was sage ich nicht, was schwingt trotzdem mit?“ Er hielt ein Plädoyer für die Wiederentdeckung der Empathie, des „Sich-in-den-Kunden-einfühlens“.

Kunden befragen

Damit das gelinge, gelte es einen entscheidenden Grundsatz zu beherzigen: „Ich möchte etwas über den Menschen erfahren.“ Denn nur das Wissen über die Beweggründe des Kunden, seine Ziele, Ängste und Erwartungen ermöglichten eine für den Kunden zufriedenstellende Anpassung jenseits von Statistiken und Kurven.